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Hexenjagd auf die Zivilgesellschaft: Warum wir unsere demokratischen Räume verteidigen müssen

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Lesezeit: 3 Minuten

Rechte und konservative Politiker haben Angst. Angst vor offener Kritik, vor selbstbewusster Teilhabe und vor Stimmen, die eine andere Meinung vertreten. Diese Angst richtet sich gegen Menschen, die sich organisieren, austauschen und Räume gestalten, in denen demokratischer Widerspruch selbstverständlich ist – von der kommunalen Ebene bis ins Herz der EU. Wenn jedoch in einer Demokratie große Parteien Angst vor anderen Meinungen haben und diese zurückdrängen wollen, weil ihnen die inhaltlichen Argumente fehlen, dann legen sie damit die Axt an das Fundament dieser Demokratie.

Hier in Brüssel attackieren rechtskonservative Politiker*innen seit Monaten EU-Förderprogramme für die Zivilgesellschaft. Die Kampagne nimmt Umweltverbände, Integrationsprojekte und kulturelle Initiativen ins Visier. Unter dem Sammelbegriff „NGOs“ wird zivilgesellschaftliches Engagement pauschal als bezahltes Lobbying diffamiert. Dahinter steht jedoch kein sachlicher Konflikt, sondern politisches Kalkül. Wer kritische Stimmen schwächen kann, grenzt den demokratischen Diskurs selbst ein.

Besonders sichtbar wird diese Strategie im Umgang mit der zivilen Seenotrettung. Auf dem Mittelmeer retten NGOs dort Menschenleben, wo Staaten versagen. Anstelle von Unterstützung drohen ihnen jahrzehntelange Haftstrafen, festgesetzte Schiffe, finanzieller Druck und Gewalt durch EU-finanzierte libysche Milizen. Zuletzt hat auch die deutsche Bundesregierung ihre Fördermittel gestrichen. Seenotrettung ist ein weiteres Beispiel dafür, wie ziviler Einsatz delegitimiert wird, sobald er politisch unbequem wird.

Wie demokratische Räume selbst auf lokaler Ebene unter Druck stehen, zeigt das Beispiel Wurzen. Das Netzwerk für Demokratische Kultur (NDK) ist im Landkreis Leipzig seit Jahren ein Ort für Bildung, Austausch, Unterstützung und Begegnung – von Nachbarschaftshilfe bis hin zu Integrationsarbeit. Doch eine Mehrheit aus CDU und AfD im Stadtrat hat dem Verein zunächst die öffentlichen Gelder gestrichen und ihm dann zusätzlich die Annahme privater Spenden untersagt. Damit verschwindet möglicherweise nicht nur ein Ort der Kultur, sondern auch ein Ort der Demokratie.

„Eine liberale Demokratie muss Kritik am Handeln von Regierung und Politik nicht nur ertragen, sondern sie sogar fördern. Demokratie lebt von Widerspruch, Argumenten und Beteiligung. Wer Umwelt- oder Menschenrechtsvereine angreift, greift insofern auch die Demokratie an.“

Allen diese Organisationen ist eines gemein: Sie geraten zunehmend ins Visier politischer Kräfte, die zivilgesellschaftliche Räume nicht als Stärke einer Demokratie, sondern als Gefährdung ihrer eigenen Macht begreifen. Diesen Kampf gegen politisch Andersdenkende beobachten wir längst nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auf allen politischen Ebenen Europas.

Damit folgt Europas Rechte einem global erprobten Drehbuch: In den USA drangsaliert Präsident Donald Trump Organisationen, die sich für Menschenrechte, gegen Korruption oder für faire Migrationspolitik einsetzen. Fördermittel werden gekürzt, Strukturen kriminalisiert. Der Angriff richtet sich dabei stets gegen Widerspruch, gegen das Recht, Macht zu kritisieren.

Wie wirksam zivilgesellschaftliches Engagement sein kann und warum autoritäre Kräfte es fürchten, zeigt ein Blick nach Polen. Die Initiative Wolne Sądy („Freie Gerichte“), gegründet von Jurist*innen, kämpft seit fast einem Jahrzehnt für eine unabhängige polnische Justiz. Durch anschauliche Aufklärung, öffentliche Aktionen und europäische Vernetzung hat sie entscheidend dazu beigetragen, die Aushöhlung des Rechtsstaats in Polen zu bremsen. Genau dieser Erfolg ist der Grund, warum zivilgesellschaftliche Organisationen autoritären Kräften ein Dorn im Auge sind: Sie machen sichtbar, was Regierungen lieber verbergen würden. Sie zeigen, dass Demokratie von Beteiligung lebt und nicht von Kontrolle.

Die Zivilgesellschaft ist kein „nice to have“. Sie ist ein essenzieller Bestandteil einer freiheitlichen Demokratie – von Wurzen über Warschau bis Washington. Wo sich Menschen treffen, um für Gerechtigkeit, Vielfalt und Solidarität einzutreten, entsteht ein lebendiges Gemeinwesen. Genau deshalb müssen wir sie schützen.

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